Mit dem letzten Schuss hat Johannes Thingnes Boe die sechste Goldmedaille im Massenstart von Oberhof verpasst, hat aber dennoch Sportgeschichte bei den BMW IBU Weltmeisterschaften Biathlon geschrieben. Noch nie war ein Biathlet bei einer WM erfolgreicher als der Massenstart-Olympiasieger von Peking. Fünfmal Gold, einmal Silber und nun Bronze im letzten Rennen am Rennsteig – eine Wahnsinnsbilanz. Sieben Medaillen bei sieben Starts, das gab es noch nie. Im Duell der besten 30 Skijäger des bisherigen Weltcups und der WM waren allerdings zwei Schweden vor 23.500 begeisterten Zuschauern in der ausverkauften ARENA am Rennsteig besser. Die DSV-Starter verpassten die Top-Ten indes deutlich. Justus Strelow landete als besten Deutscher auf Platz 13.
Von Beginn hatten sich Sebastian Samuelsson, der bereits dreimal Bronze bei diesen Weltmeisterschaften gewann und Martin Ponsilouma im Vorderfeld bewegt. Samuelsson war sogar dreimal fehlerfrei geblieben, als es zum letzten Schießen ging, Ponsilouma musste bis dahin zweimal durch die Strafrunde kreisen. Auch der Boeminator ließ in den beiden Liegend-Anschlägen jeweils eine Scheibe stehen, spurtete aber in den darauffolgenden Runden immer wieder ans Spitzenfeld heran, um dann im Stehendanschlag wieder eins mit seiner Waffe zu werden und eine seiner berühmt-berüchtigten Schnellfeuereinlagen zur richtigen Zeit zu zeigen. Auch Landsmann und Titelverteidiger Sturla Holm Laegreid konnte sich mit nur einer Strafrunde bis zum finalen Schießen in Position bringen.
SHOWDOWN IM VIERTEN SCHIEßEN
Und so hieß das Duell beim letzten Schießen: Zweimal Schweden gegen zweimal Norwegen. Johannes Thingnes Boe schoss wieder schnell, aber ausgerechnet beim letzten Schuss blieb eine Scheibe weiß. Auch Laegreid musste 150 Meter zusätzlich in Kauf nehmen. Besser machten es die beiden Läufer in den blau-gelben Laufanzügen. Samuelsson blieb auch bei seinem vierten Schießen ohne Fehler, Ponsilouma hielt sich ebenfalls schadlos. Aus dem Vier- entwickelte sich ein Dreikampf auf der letzten Runde. Boe machte sich mit knapp sieben Sekunden Rückstand auf die beiden Schweden auf die Schlussrunde. Samuelsson und Ponsilouma hielten das Tempo hoch und liefen wie entfesselt ihrem Doppelsieg entgegen.
Der norwegische Megastar, der bereits zwei Strafrunden auf Samuelsson kompensieren musste, kam nicht an die Schweden heran und musste sogar weiter abreißen lassen. Schnell konnte Samuelsson, mit 300 Meter weniger in den Beinen, auch seinen Landsmann abschütteln und sicherte sich seinen ersten Weltmeistertitel überhaupt und damit seine vierte Medaille in Oberhof. Ponsilouma kam 9,6 Sekunden später ins Ziel und holte sich nach dem zweiten Platz bei Olympia in Peking im Massenstart in der gleichen Disziplin auch Silber bei der WM in Oberhof. Der deutsche Trainer der Schweden, Johannes Lukas, konnte sein Glück kaum in Worte fassen: „Was hier abgeht ist unbeschreiblich. Ich habe keine Worte“, sagte er mit wahrhaft heiserer Stimme.
„Johannes Thingnes Boe sah in der letzten Runde nicht mehr so stark aus. Ich habe von Beginn an gesagt, dass wir das Tempo hochhalten wollen.“ Der starke Läufer Sebastian Samuelsson offenbarte im Anschluss seine Taktik. „Ich habe gemerkt, dass die anderen Fehler geschossen haben und mich wieder eingeholt haben. Ich wollte mein eigenes Rennen machen, alle meine Ziele treffen. So hatte ich am Schluss noch genug Kraft“, so der neue Massenstart-Weltmeister. „Das war das beste Rennen meiner Karriere.“ Und eine sehr gute Taktik: „Ich bin in den ersten Runden sehr schnell gelaufen und hatte dann nichts mehr zuzusetzen, als Sebastian anzog. Gleichzeitig war ich unter Druck, weil Johannes hinter mir kam“, analysierte Landsmann Ponsilouma das Rennen.
Johannes Thingnes Boe hatte in der Schlussphase bereits Frieden mit der Bronzemedaille geschlossen und lief den dritten Platz mit einem Rückstand von 38,8 Sekunden nach Hause. Er kann nun alle Komplementärfarben, die ein Medaillensatz so zu bieten hat, mit nach Hause nehmen. Ob er sich nun in einer Liga mit Usain Bolt und Michael Phelps sehe, wurde er im Anschluss gefragt. „Nein, wird sind Biathleten, das kann man nicht vergleichen“, so der sympathische Boeminator mit gewohntem Unterstatement.
Justus Strelow, vielleicht der konstanteste Deutsche bei der WM konstatierte nach seinem 13. Platz: „Das Rennen war hart. Das Tempo war von Beginn an zügig, jedenfalls für meine Verhältnisse. Der Fehler beim letzten Schießen ist ärgerlich. Das zieht sich leider so ein bisschen durch“. Roman Rees lief mit zwei Fehler auf Platz 18. Johannes Kühn (5) und Benedikt Doll (6) leisten sich zu viele Strafrunden und liefen auf den 21. Beziehungsweise 26. Rang. (ce)