Oberhof - Die deutschen Männer haben die erhoffte Medaille im Staffelrennen bei den BMW IBU Weltmeisterschaften in Oberhof verpasst. Für Justus Stelow, Johannes Kühn, Roman Rees und Benedikt Doll reichte es nach insgesamt fünf Strafrunden bei widrigen Bedingungen in der ausverkauften ARENA am Rensteig vor 23.500 Zuschauern am Ende nur zum fünften Platz (+3:51.8). Gold ging - nein – diesmal nicht an Norwegen, sondern an Frankreich, die mit den wechselnden Winden am besten zurechtkamen und sich von den Spitzenteams mit einer Strafrunde und neun Nachladern am Schießstand am schadlosesten hielten. Silber holte Norwegen (+38.8), das bisher alle vier Staffelrennen der Saison gewonnen hatte und auch nach den bisherigen Eindrücken bei den Sportwettenanbietern eher inflationäre Gewinnquoten versprachen. Bronze sicherte sich die Staffel aus Schweden (+1:39.9).
Bis zuletzt hatte das Rennen wegen angekündigter Sturmböen auf der Kippe gestanden. Am Vormittag entschieden die Internationale Biathlon Union und das Organisationskomitee nach intensiver Rücksprache mit dem Deutschen Wetterdienst und den lokalen Behörden, dass die beiden Staffelrennen stattfinden können. Im Rennen waren die Bedingungen mit einzelnen windigen Passagen weitestgehend beherrschbar.
Für die Überraschung dieser WM hätte beinahe das Team aus Tschechien gesorgt, dass beim letzten Wechsel mit einem Vorsprung 10,9 Sekunden vor Frankreich noch auf Goldkurs lag. Schlussläufer Jonas Maracek leistete sich aber beim vorletzten Schießen zwei Strafrunden und lief am Ende auf dem undankbaren vierten Platz ins Ziel (+2:04.2). Dennoch eine starke Leistung. Für die Franzosen hatte bereits Startläufer Antonin Guigonnat für eine gute Ausgansposition gesorgt und als erster auf Fabian Claude übergeben. Bei den Norwegern hatte Vetle Sjaastad Christiansen am Schießstand Probleme und konnte gerade so eine Strafrunde vermeiden – zwischenzeitlich fielen die Norweger sogar aus den Top-15. Besser hielt sich Justus Strelow, der insgesamt nur einen Nachlader benötigte und als Vierter auf Johannes Kühn übergab – in der Schlussrunde ließ der 26-Jährige allerdings etwas Federn. „In der zweiten Runde war das Tempo extrem hoch, in der Schlussrunde war der Tank dann alle“, sagte Strelow.
Knackpunkt des Rennens war dann aber das Stehendschießen der zweiten Gruppe – zumindest aus deutscher Sicht. Johannes Kühn erwischte eine stürmische Phase am Schießstand, musste lange warten und am Ende dennoch dreimal in die Strafrunde. Beim zweiten Wechsel hatten die Deutschen bereits einen Rückstand von mehr als zwei Minuten und lagen auf Rang 9 – die DSV-Medaillenträume lagen am Boden. „Ich war eine halbe Minute zu spät am Schießstand, das war etwas unglücklich. Ich habe versucht zu warten, aber je länger man wartet, desto schwieriger wird es. Es tut mir wahnsinnig leid“, sagte der enttäuschte Bayer, der nicht als einziger Probleme hatte.
Dieses Schießen wirbelte das Feld insgesamt gehörig durcheinander. Fabian Claude aus Frankreich und der Tscheche Tomas Mikyska konnten sich mit rund einer Minute vom Rest des Feldes absetzen. Für Frankreich der goldene Vorsprung. Dahinter versuchten der Schwede Martin Ponsilouma und Tarjei Boe näher an die Spitzengruppe heranzukommen. Nach dem Wechsel erwischte es beim Stehendanschlag auch die Franzosen. Emilien Jacquelin musste beim Stehendschießen in die Strafrunde, der Tscheche Jakub Stvrecky machte es besser und konnte auf der Schlussrunde sogar in Führung gehen. Auch Superschütze Sturla Holm Laegreid konnte in diesem Anschlag die Extrameter nicht vermeiden und konnte so den Rückstand auf Gold nicht wesentlich verkürzen.
Für die deutsche Staffel lief Roman Rees ein starkes Rennen und konnte mit zwei fehlerfreien Schießeinheiten den Rückstand auf die Spitze um 25 Sekunden verkürzen (+1:48). Er übergab auf Platz 5 liegend auf Schlussläufer Benedikt Doll. „Ich wollte nicht gleich am Anfang alles übers Knie brechen. Ich wollte ein gutes Rennen machen – unabhängig vom Ergebnis“, sagte Rees nach dem Rennen. Benedikt Doll wollte es auch noch mal wissen: „Ich habe es schon noch mal probiert, aber die vor mir haben sich nichts erlaubt“, sagte der Fünfte im WM-Einzelrennen. „Es waren heute widrige Bedingungen. Diejenigen, die die Medaillen geholt haben, haben sich am besten darauf eingestellt“, so Doll.
"Ich musste es nur zu Ende bringen"
Garant für den französischen Triumphzug war der zweimalige Olympiasieger von Peking, Quentin Fillon Maillet, der für seine zwei Schießeinheiten nur einen Nachlader benötigte und wie alle Franzosen von Top-Material auf der Strecke profitiert. „Ich habe es nicht allein gemacht. Ich musste es nur zu Ende bringen“, sagte der frischgebackene Staffel-Weltmeister Maillet nach dem Rennen. Angesprochen auf die äußeren Verhältnisse sagte er: „Es sind harte Bedingungen, wenn du verlierst und gute, wenn du gewinnst.“ Eine starke Perfomance, zumal er in seinem Nacken keinen Geringeren als den fünfmaligen Goldmedaillengewinner von Oberhof, Johannes Thingnes Boe wusste. Der versuchte noch mal alles und knallte zum Abschluss am Stehendanschlag alle fünf Patronen in rekordverdächtigen 15,9 Sekunden ins Ziel.
Aber 33 Sekunden Rückstand auf der Schlussrunde waren selbst für den „Boeminator“ zu viel des Guten und so kommt mit einer neuen Silbernuance etwas Farbe in den Medaillensatz des Überfliegers. „Wir sind natürlich enttäuscht, aber wir ziehen den Hut vor den Franzosen“, so der Weltcup-Führende und Staffel-Olympiasieger von Peking. „Es zeigt auch, dass die Favoriten auf dem Zettel nicht unbedingt gewinnen.“ Für die Schweden erkämpfte Sebastian Samuelsson Bronze und ließ seine Teamkollegen Peppe Femling, Martin Ponsilouma und Jasper Nelin im Ziel jubeln.